Kiezväter (#16): Tile mit Carl

Was Väter durch den Kiez treibt. Heute: Tile und Carl auf dem „Flowmarkt Nowkölln“ am Neuköllner Maybachufer.

Erst futtern, dann RAdfahren: Vater Thile mit Sohn Carl auf dem „Flowmarkt Nowkölln“ am Neuköllner Maybachufer
Erst futtern, dann Radfahren: Vater Tile mit Sohn Carl auf dem „Flowmarkt Nowkölln“ am Neuköllner Maybachufer

Das da oben sind Tile und Carl. Tile ist 45 und freiberuflicher Stadtforscher, Carl ist 3 und Kindergartenkind. Gemeinsam essen sie früh zu Mittag – als Kid A und ich sie an einem Sonntag auf dem Flomarkt „Flowmarkt Nowkölln“ in, richtig, Berlin-Neukölln treffen, ist es vielleicht 10.30 Uhr. Bei strahlender Sonne erzählt Tile, welche Musik Carl am liebsten hört, wie die Kita-Suche lief und warum Carl als Baby mal nicht aufhören wollte zu schreien – obwohl der Grund eigentlich sehr nahe lag. Carls Mutter schlendert derweil über den Flomarkt und stößt später zu uns.

Dein Sohn Carl ist drei Jahre alt, Tile. Stimmt es, dass nach den ersten ein bis zwei Jahren mit Kind alles wieder entspannter wird?

Tile: Das ist eine dieser Fragen, auf die du nur mit einem großen „Jein“ antworten kannst. Keine besondere Erkenntnis: Es verändert sich mit Kind ständig alles, das ist ja auch das Spannende daran. Ich fürchte aber, dass die alte Weisheit „kleine Kinder = kleine Probleme, große Kinder = große Probleme“ stimmt. Im Moment aber ist es ein Zauberalter. Er kann alle wichtigen Sachen, kommt zum Beispiel nicht wie Babys noch nicht richtig auf die Rutsche hoch oder so. Neue Fragen tauchen natürlich trotzdem ständig auf.

Erinnerst Du Dich noch an bestimmte Sorgen, die Du vor Carls Geburt hattest? Und falls ja, was davon hat sich bewahrheitet?

Ehrlich gesagt hatte ich nicht viele Sorgen. Nur die grundlegende Sorge, ob das Kind gesund ist. Die Frage, ob man danach wirklich keine Zeit mehr hat, stellte sich mir nicht. Ja, es verändert sich etwas, man ist nämlich plötzlich zu dritt undträgt Verantwortung für so einen kleinen Zwerg. Aber es ist mitnichten so, dass man selber keine Zeit mehr hätte. Man muss sie nur anders einteilen.

Hat sich für Dich im Job etwas geändert?

Nein, gar nicht. Freiberufler zu sein ist ja Fluch und Segen zugleich. Man kann seine Zeit selber einteilen, dafür hat man aber eben keine festen Arbeitszeiten und muss ständig planen. Mit Kind waren diese Einteilungsmöglichkeiten sehr praktisch. Ich hatte das Gefühl, genug Zeit zu haben, gerade nachdem das Kind zur Welt kam. So wie ich es wollte.

Elternzeit in dem Sinne konntest Du als Freiberufler nicht nehmen?

Doch, kannst du, aber sie bringt dir finanziell nichts.

Was hast Du gemacht?

Offiziell habe ich Elternzeit genommen, das musst du per Gesetz auch als Freiberufler. Der Satz wird aufgrund deiner Lohnsteuerabrechnung berechnet. Eigentlich habe ich aber gar nichts gemacht, sondern mir einfach für mich und Carl freigenommen.

Da Carl drei Jahre ist, habt Ihr wahrscheinlich alle Spielplätze in der Gegend längst ausprobiert?

Logo. Wir wohnen oben am Flugfeld…

… einem Riesenspielplatz!

Ja, das kannst du nicht mit Geld aufwiegen, wie wunderbar dieses Feld ist. Und die Hasenheide ist auch toll.

Auch die Kirmes dort, die Maientage?

Klar, gestern waren wir Karussell fahren!

Einen Kindergarten habt Ihr auch hier in der Nähe gefunden?

Ja, und das war wirklich einfach. Die Geschichten von befreundeten Eltern aus dem Prenzlauer Berg, dass man 30 Bewerbungen schreiben muss… So war das bei uns nicht. Wir sind jetzt in einer Kita im Reuterkiez.

Eure Wunsch-Kita?

Ehrlich gesagt war das die einzige Kita die wir uns angeschaut haben. Sah alles gut aus und klang gut, also haben wir sie genommen. Gerade in der Gruppe für die Kleinen war es super. Bei den Großen ist der Betreuungsschlüssel deutlich kleiner, da wird es tougher. Sag mal, nimmst Du eigentlich Elternzeit?

Hatte ich schon. Im Juni 2014 waren wir fünf Wochen mit dem Wohnmobil in Südfrankreich unterwegs. Im September habe ich mit unserem Sohn bis November die Kita-Eingewöhnung gemacht. Dazwischen arbeitete ich in Teilzeit. Denkt Ihr schon über die Schulwahl nach?

Nein. Carl ist dreieinhalb, das macht noch zwei Jahre Zeit.

Bei aller Liebe für den Kiez wollt Ihr Euch also keine Schulen in anderen Vierteln angucken?

Ganz im Ernst: Ich kann Dir da keine Antwort geben. Und ich finde es albern, darüber so früh nachzudenken. Seien wir außerdem ehrlich: Dieser Kiez verändert sich so rapide. In zwei Jahren werden die Schulen völlig anders besetzt sein als heute. Das alte Klischee von nur schlimmen Schulen in Neukölln, das stimmt so nicht mehr. Die Eltern aus der Kita, die hier in Neukölln groß wurden, berichten übrigens, dass es auf ihrer Schule immer gut gewesen sei. Mit einem kleinen Dorf wie dem, in dem ich groß wurde – ich wurde in Hamburg geboren, danach zogen wir aber nach Hessen -, ist das natürlich nicht zu vergleichen.

Gibt es etwas, dass Du mit Carl unbedingt mal erleben willst? Ein Vater-Sohn-Moment, von dem Du schon immer träumtest oder gar schon hinter Dir hast?

Ein extrem toller Moment war, als Carl auf die Welt kam. Ihn zum ersten Mal zu sehen. Das ist nicht in Worte zu fassen. Eine andere, extrem coole Geschichte müsste eigentlich Anne erzählen, sie hat sie nämlich erlebt…

Anne (kommt hinzu): Toilette? Spielplatz?

Tile: Die Geschichte ist, dass mein Kind Kraftwerk-Fan ist – großartig!

Durch Dich?

Überhaupt keine Frage! Die Frage, welches Lied mein Kind als erstes in seinem Leben hören sollte, war vermutlich eine komplett unwichtige, aber ich fand sie sehr entscheidend.

Verrückt, ich hatte mich das nie gefragt. Aber es war, glaube ich, „The Desert Babbler“ von Iron & Wine.

Carls erstes gehörtes Lied war „Eleanor Rigby“ von den Beatles. Am liebsten hört er von Kraftwerk „Die Roboter“ und „Autobahn“.

Anne: Er fährt mit dem Laufrad auf dem Tempelhofer Feld und singt „Fahr’n Fahr’n Fahr’n auf der Autobahn“! Was immer dann besonders lustig ist, wenn andere Väter, die in den Siebzigern oder früher geboren wurden, mit Erstaunen reagieren.

Beatles antworten die Leute ja immer gerne, wenn man nach ihrer ersten Platte fragt. Auch wenn es in Wahrheit eine von den Schlümpfen war. Was war denn ein schlimmer Moment? Einen, den Du Dir, Carl oder Euch beiden lieber erspart hättest?

Anne: Er hat mal eine halbe Stunde geschrien als viermonatiges Kind. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Und wir hatten keine Ahnung, was der Grund war.

Tile: Das kommt einem ewig vor.

Anne: Er war hysterisch und hielt dabei sein komisches Plüschtier in der Hand. Wir haben alles gemacht: Windel an, Windel aus, Bauch eingecremt. Milch gegeben. Alles. Carl schrie jedoch nur doll weiter und hörte nicht mehr auf. Irgendwann habe ich ihn hingelegt und komplett ausgezogen. Erst dann habe ich gesehen, dass er die Schnur von der Spieluhr im Plüschtier um den Finger gewickelt hatte! Und wir wundern aus, warum er dieses blöde Ding nicht loslässt. Statt kühlen haben wir dann Joghurt genommen – und erst zehn Minuten später gemerkt, dass wir die falsche Hand genommen haben! Ihm war das aber egal, war ja alles wieder gut.

Beruhigend, dass auch andere Eltern nicht perfekt sind. Letzte Frage, falls die nicht zu privat ist: Wie wärs mit einem Geschwisterchen für Carl?

Anne: Sind wir dafür nicht zu alt…?

Tile: Quark! Außerdem ist das hier ein Väter-Blog, also sind ausnahmsweise mal wir Männer gefragt…

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