Väter, die anderen Mütter

Ein Schnappschuss, der beweist: Ja, der Autor dieser Zeilen kann Privates und Berufliches nicht trennen.
Ein Schnappschuss, der beweist: Ja, der Autor dieser Zeilen kann Privates und Berufliches nicht trennen.

Die SPIEGEL-Ausgabe vom 19. Dezember 2015 macht nur scheinbar mit einem Feelgood-Titel für die Feiertage auf: „Sind Väter die besseren Mütter?“, heißt es dort polarisierend. In so einer Fragestellung schwingen nämlich diverse weitere Fragen mit: Galten Väter denn bisher als schlechtere Mütter? Sind Mütter somit vielleicht die schlechteren Väter? Wer ist der Apfel, wer die Birne? Solche Sachen.

Die Titelgeschichte schlug besonders unter Elternbloggern, um es mit Caspar Clemens Mierau zu halten und nicht nach Väter- und Mütterbloggern zu unterscheiden, entsprechend hohe Wellen. In den Reaktionen von Jochen König, Johnny von „Weddinger Berg“ und Mierau etwa geht es (teilweise) um überholte Rollenklischees, Selbstverständlichkeiten, das „Boulevardblatt SPIEGEL“ und um ach so moderne Väter, die sich selbst in die Tasche lügen. Patricia Cammarata bringt das eigentliche Dilemma der ganzen Diskussion auf den Punkt, in dem sie eine Szene zweier Eltern erfindet, in der es die Frau ist, die wegen der Arbeit nicht so sehr bei ihrer neuen Familie sein kann, ihr Umfeld sie aber lobt, wenn sie es dann doch mal schafft. Wie abwegig das plötzlich klingt!

So weit, so richtig, so reflexartig. Die Jungs von „Ich bin Dein Vater“ fragen immerhin, ob der SPIEGEL-Titel denn wirklich so übel sei. Sie können die Empörung „in einigen Punkten nachvollziehen, aber eben nicht die Generalkritik“ und freuen sich darüber, „dass Themen wie Vaterrolle oder Vereinbarkeit nicht mehr nur als Randgruppenproblem abgetan werden, sondern sich in die Mitte der Gesellschaft bewegen.“ Auch wenn oder gerade weil man sich darüber aufregen kann, dass viele Selbstverständlichkeiten für viele Eltern(-teile) noch lange nicht selbstverständlich sind.

Nein, ich bin auch kein Freund von Pauschalisierungen und Geschlechterstereotypen. Aber ich glaube, dass kein Elternteil frei von Vorstellungen ist, wie Mütter oder Väter wohl so waren, sind und werden und wie man selber sein oder nicht sein will. Einfach deshalb, weil man solche Bilder Zeit seines eigenen Daseins miterlebt hat. Am eigenen Leib, bei Nachbarn, Freunden und Bekannten, im Fernsehen. Vom eigenen kulturellen Gedächtnis kann sich keiner entledigen, ebenso wenig von daraus folgenden bewussten oder unbewussten Handlungen und Rollenempfindungen. Vater- und Mutterrollen sind eben vielmehr ein soziales Konstrukt, wie SPIEGEL-Autorin Kerstin Kullmann in ihrem Artikel selbst schreibt. Wichtig ist doch bloß, dass man dieses Konstrukt nicht als gegeben hinnimmt, sondern hinterfragt.

Gut, man mag über ihre indirekte Unterstellung streiten, dass Väter nicht mehr als eine friedliche Koexistenz mit ihren Kindern pflegten und Mütter – tendenziell – ein Helikopterdasein. Darüber, wie fortschrittlich es wirklich ist, wenn vor zehn Jahren zwar nur 3,5 Prozent aller Väter Erziehungsurlaub nahmen, heute ein Großteil der „modernen Väter“ aber nicht länger als die pflichtschuldigen zwei Monate zuhause bleibt. Und über den Begriff des „Maternal Gatekeeping“, der umschreiben soll, dass die Aufteilung der elterlichen Aufgaben nicht nur am Willen und Dasein des Vaters liege, sondern daran, wie viel oder wie wenig die Mutter von ihrem Kind lassen kann. Aber eben: Endlich werden solche Gedanken auch mal abseits von Großstadt- und Eltern-(blog)-Blasen formuliert.

Für uns persönlich kann ich sagen, dass meine Frau es bestimmt toll fände, wenn ich selbständig noch mehr Aufgaben und familiäre Planungen übernähme, mit meinem Einsatz fürs Kind aber, glaube ich, ganz zufrieden ist. Es gab nie konkrete Absprachen, aber meine Frau kümmert sich zum Beispiel um Kinderklamotten und um jede Menge Adminstratives, während ich Einkäufe und Planungen ausführe. Ja, das mag Rollenklischees entsprechen. Aber das heißt ja nicht, dass ich auf Teufel komm‘ raus nun unser Kind einkleide. Zu dessen Wohle, versteht sich.

Was ich gerne zugebe: Nein, ich will kein Schulterklopfen dafür, dass ich mich so viel und gut wie möglich um unseren Sohn kümmere – aber ich freue mich manchmal heimlich, wenn das doch passiert. Einer Mutter dürfte es da nicht anders gehen, Lob nimmt jeder gerne entgegen, und sei es laut Selbstverständnis noch so überflüssig. Und ich gebe auch zu, dass ich mit der damaligen Beantragung meiner auf dem Papier sechsmonatigen Elternzeit – davon aber über neun Wochen in Teilzeit arbeitend – haderte und es bei einem eventuellen zweiten Kind wieder tun würde, also hadern. Der mutmaßlichen Karriere und selbst eingeredeten Unersetzbarkeit wegen. Und das, obwohl meine Frau schon immer mehr als ich verdient hat. Da muss in den Köpfen noch einiges passieren, nicht nur in den eigenen. Von den Gesetzen ganz zu schweigen.

Bleibt festzuhalten: Ja, ein Totalausfall ist diese SPIEGEL-Titelgeschichte nicht, eben weil sie grundsätzlich wichtig ist. Sie ist bloß ein bisschen langweilig und überholt, weil sich der Erkenntnisgewinn doch arg in Grenzen hält und es eben nicht um besser oder schlechter geht, wie auch Mark Bourichter von „Daddylicious“ herausstellt. Warum aber hat eigentlich noch keiner festgestellt, wie doof das Titelbild selbst ist? Ein billiges Stockfoto eines Vaters mit Kindern und eine Weihnachtsmütze draufgephotoshopped, fertig ist der Festtagsramsch!

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