All inclusive: So haben wir unseren Türkei-Urlaub mit Baby und Kleinkind überstanden

Neben Sonnenbrand das einzige Mitbringsel aus unserem einwöchigen Türkei-Aufenthalt: Drölf Gründe für und gegen Pauschalurlaub mit Kindern.

Sekunden der Ruhe: Kid A (rechts), Kid B (im Tragetuch) und ich in der Brandung des Mittelmeers.

„Urlaub mit Kindern. Endlich an einem anderen Ort putzen und hinterherräumen.“

Eltern wissen um die traurige Wahrheit hinter diesem Satz. Auch wir, Eltern zweier Jungs (bei Veröffentlichung dieses Textes zweidreiviertel Jahre sowie zehn Wochen alt) – und hegen deshalb schon lange Zeit den heimlichen Wunsch, eines Tages so Urlaub zu machen, wie man es ohne Kinder nie wollte: pauschal und all inclusive. Nichts einkaufen, nichts kochen, außer Kinderpopos nichts saubermachen müssen. Vielleicht also etwas Entspannung! Nun, da ich Elternzeit habe und Kid B gut drauf ist, haben wir uns diesen Wunsch spontan erfüllt. Wie naiv von uns.

Und so nahm das Unheil seinen Lauf: Schon vor der schließlichen Last-Minute-Buchung und ohne jede Ahnung, ob und wohin es gehen könnte, haben wir Kid B einen Reisepass besorgt. In Berlin bedeutet das, sich mindestens einen halben Tag freizunehmen, sich ohne Termin – die gibt es nämlich praktisch nicht – ein überfülltes Bürgeramt seiner Wahl zu suchen und vier Stunden Wartezeit und sein Baby mitzubringen. Schön war das! Nicht.

Nächste Frage: Wohin soll es gehen? In den einschlägigen Onlineportalen wurden wir tagelang nicht fündig. Familienfreundlich sollte das Ziel sein in Ausstattung und Preis, Abflug ab Berlin, all inclusive, mit Pool und Strand, warm und sonnig. Und bitte keine Bettenburg! Irgendwas war in den gefundenen Last-Minute-Angeboten immer doof – in der Regel der Preis, den man sogar für den Säugling voll zahlen sollte. Plötzlich, wir stellten uns gedanklich schon auf Air B’n’B in der Toscana mit Selbstverpflegung ein, stießen wir auf ein Familienresort namens Tui Blue Palm Garden an der türkischen Riviera. Abflug ab Berlin, Apartments statt Betonklötze, Kinderpool, eigener Strand, 24/7 all inclusive – das Angebot ließ keine Wünsche offen. Eine halbe Stunde später haben wir den Urlaub plus Reiserücktrittsversicherung gebucht und keinen Haken finden können. Spoilerwarnung: Er sollte bei uns liegen, nicht beim Angebot.

Vorweg: Wir verreisten Ende Juni, also kurz vor den Attentaten am Istanbuler Atatürk-Flughafen und zweieinhalb Wochen vor dem Putschversuch Erdoğans. Aber gut, ein paar Umstände sprachen trotzdem bereits dagegen beziehungsweise nicht unbedingt dafür, mit Kleinkind und Baby in die Türkei, dieses bis zuletzt so beliebte Urlaubsziel, zu fliegen: Radikalismus gegen Radiohead-Fans. Demokratie-Dahinsiechungen. Das dortige Wetter (40 Grad Celsius im Schatten). Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine innen- wie außenpolitischen Diktatormoves. Darf und will man dort Urlaub machen? Es gibt kein moralisch einwandfreies Leben, sowieso kein richtiges im falschen und schon gar keines ohne Widersprüche. Und was können die Hoteliers und Bediensteten für ihren Ziegenficker Despoten in Ankara? Wir haben diese Frage für uns also mit „Ja“ beantwortet. Würden wir aufgrund der danach dramatisch verschärften Lage aber nicht wieder tun.

Die App des Reiseanbieters bestärkte uns im Glauben, es könne nichts mehr schief gehen. Sogar unseren Reiseleiter lernten wir darin schon kennen! Das Abenteuer wäre trotzdem fast schon vor Beginn zu Ende gewesen: Kid B erwischte zwei Tage vor Abflug eine leichte Erkältung, die die Kinderärztin zu früh gefunden hätte, wenn sie nicht von seinem großen Bruder wüsste: „Wenn ihr Baby in die Kita kommt, wird es alle Kinderkrankheiten schon durch haben.“ Sie meinte das beruhigend. Und gab im aktuellen Fall Entwarnung erst vier Stunden vor Abflug: Ohren frei und ab dafür.

An dieser Stelle folgen ein paar Tipps des Hauses zum Urlaub mit Kind/ern:

  • Verreisen Sie nie mit Kind, das seine überschüssige Energie nicht kanalisieren kann. Sie werden am Flughafen einen Marathon mit Hindernissen absolvieren!
  • Schauen Sie sich die Mitfliegenden an. „Camp David“-Shirts, Tennissocken, Bauchtaschen? Glückwunsch, Sie fliegen von Deutschland aus mit Deutschen!
  • Boarden Sie zuletzt! Jede Minute, die Sie mit Kindern nicht stillsitzend in einer engen Flugreihe verbringen müssen, ist eine ertragenswertere Minute. Trotz Punkt 1.
  • Bedenken Sie: All inclusive fängt nicht im Flieger an. Eine Cola, zwei Kaffee und ein Sandwich kosten neun Euro. Das war es dann aber auch mit den Ausgaben für die kommende Woche.
  • Packen Sie Ihr iPad ins Handgepäck und überlassen es Ihrem Kleinkind, solange es will. Kinderlose werden sie abschätzig ansehen, andere Eltern verständnisvoll nicken.
  • Sie wissen dank Last-Minute-Buchung fast nichts über Ihr Reiseziel? Spätestens beim doppelten Applaus bei der Landung wissen Sie dafür, dass Sie in einem Urlaubsflieger aus Deutschland sitzen. Aber das ahnten Sie ja schon am Flughafen.

***

Skip. Landung in Antalya. Gepäckannahme. Hitzeschlag. Taxibusfahrt zum Resort. Eine Stunde später, vorbei an Feldern, Wiesen, Gebirgen im Hintergrund, Traktoren, Dörfern, halbrunden Dächern mit Solaranlagen und angekommen an einer Durchfahrtslandstraße weist von draußen nichts auf den Luxus hin, der uns drinnen erwarten würde.

Die Fakten im Schnelldurchlauf, weil wir in den kommenden sieben Tagen eh nichts erlebt haben, gefolgt von ein paar Eindrücken: Die App und das Internet haben nicht gelogen. Ein künstlich angelegter und strahlend sauberer Traum aus Palmen, Blumen, Appartments, Pools, Restaurants, Spa-Bereich und Minigolf, endend an einem Strand, dessen zugehöriges Meer ziemlich echt aussieht. Gut, hat Truman Burbank auch gedacht. Und das Beste: Wegen Vorsaison (…) kaum andere Gäste hier!

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Das Buffet am Morgen, am Mittag und am Abend war täglich hervorragend. Von frischen Backwaren über Salate, Obst, Antipasti, Live-Cooking von Fisch, Fleisch und Geflügel, Kinderspeisen bis hin zu Baklava und Drinks blieben keine Wünsche offen und niemand hungrig – es sei denn, man hat zwei kleine Kinder dabei. In der Theorie mag das nämlich stimmen: kein Einkauf, kein Kochen, kein Putzen, weniger Stress. In der Praxis kam dafür ein weiterer Stressfaktor hinzu: Es stellte sich gleichzeitig als Meisterleistung und absoluter Glücksfall heraus, wenn wir als Eltern zum ausgiebigeren Essen kamen, bei dem man das Angebot auch schätzen und wenigstens ansatzweise genießen kann. Kid A war entweder todmüde, schlechtgelaunt oder, wie immer, nicht hungrig und musste bespaßt werden – zum Glück gab es Kinderstühle mit Tisch und Rollen dran. Kriegte er seine Pommes auf den Teller und wir schoben ihn und uns dabei an der restlichen Auswahl vorbei. Dann war da noch Kid B, dessen Zustand so terminiert werden musste, dass er zum Essen entweder im Kinderwagen schläft oder aber vorher wach und gestillt wurde, um für wenigstens 20 Minuten gute Laune zu haben. Unnötig zu sagen, dass keiner von uns an Nachschlag auch nur dachte.

Die Zeit zwischen den Mahlzeiten lief ähnlich ab: Kid A, noch zu jung für die Kinderbetreuung vor Ort, planschte den ganzen Tag im Kinderpool, rutschte mit mir die großen Rutschen runter, rannte ziellos umher und hatte somit von uns allen den besten Urlaub – als ob es ihm wichtig wäre, ob er in der Türkei im Wasser spielt oder im  Kreuzberger Prinzenbad. Kid B musste entweder an Mamas Brust nuckeln, schlafen oder gewickelt werden – und stets im Schatten oder gleich im klimatisierten Zimmer abhängen. Somit auch meine Frau. Welch Spaß für sie und mich, welch Erholung! Aber was haben wir uns auch bloß dabei gedacht?

Der Massagegutschein sollte ungenutzt verfallen. In Ruhe schwimmen und Sonnen schaffte jeder von uns einmal für je 20 Minuten. Den einzigen Ausflug unternahmen wir in das ramschige Shopping Center gegenüber vom Urlaubsresort. Auch dazu gibt es weiter nichts Interessantes zu berichten.

Ein paar weitere Eindrücke und Beobachtungen:

  • German Schadenfreude: Wir verspürten eine innere Genugtuung, andere Kinder auch mal wegrennen und die Eltern kaum hinterherkommen zu sehen.

  • Der abendliche Muezzinruf war das einzige Anzeichen dafür, dass wir im Ausland sind. Oh, und das Wetter.
  • Aus dem Tanzsaal schallt ein Saxofoninstrumental von „Verlieben, verloren“ über das Resort und übertönt eben jenen Muezzinruf. Für unsere deutschen Gäste. Deutschland, Deine Urlauber.
  • Die einzigen Türken, die wir treffen, arbeiten dort und sprechen deutsch. Da hätte ich ja auch in Neukölln bleiben können!

In sieben Tagen Türkei-Urlaub hat mein Vokabular für nicht mehr als „Merhaba“ und „Teşekkür“ gereicht, aus Gründen (Kinder, Wetter) haben wir das Resort nicht einmal wirklich verlassen. Plötzlich war ich also exakt der deutsche Urlauber, der ich nie sein wollte, den andere verachteten, und auf den die Tourismusbranche an der türkischen Riviera seit Jahren baut. Und der ihnen nun erst recht ausbleibt: Am Abend vor unserem Abflug starben am Flughafen Istanbul 45 Menschen durch die Waffen und Bomben von Selbstmordattentätern, 230 wurden verletzt. Wir waren also doppelt froh, als wir nach dieser anstrengenden Woche wieder zuhause waren. Da hat der Stress wenigstens Routine.

Fazit, liebe Eltern und Nicht-Eltern: So einen Pauschal-Urlaub würden wir – auch abgesehen vom Reiseziel – erst wieder machen, wenn die Jungs über drei Jahre alt sind und am Kinderbetreungsprogramm teilnehmen können. Haben alle mehr von.

9 Gedanken zu „All inclusive: So haben wir unseren Türkei-Urlaub mit Baby und Kleinkind überstanden

  1. Und jetzt? Nie wieder Urlaub? Wollen mit unserem Sohn (dann fast ein Jahr) nächstes Jahr mit dem VW Bus verreisen, so wie wir das auch jetzt machen würden. Keine gute Idee?

    1. Erstmal Urlaub im Umland. Größeres dann wieder, wenn die Kinder älter sind (auch wenn es dann leider teurer ist). VW-Bus klingt doch super: Wir waren mit Kid A und Wohnmobil fünf Wochen in Frankreich, als er sieben Monate alt war. Das hatte auch gut geklappt.

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